Träne in schwerer Krankheit
by Andreas Gryphius (1616-1664)
Mir ist, ich weiß nicht wie, ich seufftze für und für.
Ich weine Tag und Nacht; ich sitz in tausend Schmertzen;
Und tausend fürcht ich noch; die Kraft in meinem Herzen
Verschwindt, der Geist verschmacht’, die Hände sinken mir.
Die Wangen werden bleich, der munten Augen Zier
Vergeht gleich als der Schein der schon verbrannten Kerzen
Die Seele wird bestürmmt gleich wie die See im Märzen.
Was ist dies Leben doch, was sind wir, ich und ihr?
Was bilden wir uns ein, was wünschen wir zu haben?
Itzt sind wir hoch und groß, und morgen schon vergraben;
Itzt Blumen, morgen Kot. Wir sind ein Wind, ein Schaum.
Ein Nebel und ein Bach, ein Reif, ein Tau, ein Schatten;
Itzt was und morgen nichts. Und was sind unsre Taten
Als ein mit herber Angst durchaus vermischter Traum.
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