Im Morgenrot
by Klabund (Alfred Georg Hermann Henschke) (1890-1928)
Faß fest dein Roß am Zügel,
Der Morgen ist erwacht!
Stumm hinter jenem Hügel
Entgleitet schon die Nacht.
Sie läßt noch einmal dunkel
Die blauen Schleier wehn –
Bald wird des Tags Gefunkel
In Blut und Rosen stehn.
Wem pflücke ich die Blüten,
Die mir der Tag verspricht?
O mag uns Gott behüten
Vor allzuvielem Licht!
Dies Herz, dem Feind geboten,
Dies Herz kennt keinen Tod –
Da es in ewig roten
Unendlichkeiten loht.
Mein Mädchen, denkst du deines
Freundes in der Schlacht?
Dein wildes Herz, o wein es
Verzweifelt in die Nacht.
Die Tränen werden regnen
Und trommeln auf mein Zelt.
Ich will den Frieden segnen,
Der bei dir Wache hält …
Noch glühen allenthalben
Die Rosen rot und tief!
Noch flattern hoch die Schwalben,
Da kein Gewitter rief.
Wir jubeln und wir hoffen
Und haben festen Stand –
Weit steht der Himmel offen:
Freiheit und Vaterland!
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